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Träger der Jugendhilfe im Landkreis Esslingen schlagen Alarm.

28. März 2023

PRESSEMITTEILUNG

Im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft der Erziehungshilfeeinrichtungen im Landkreis Esslingen (AGE)

Träger der Jugendhilfe im Landkreis Esslingen schlagen Alarm
Dramatischer Mangel an Fachkräften in den Jugendhilfe-Einrichtungen

Träger der Jugendhilfe im Landkreis Esslingen schlagen Alarm: Schon seit geraumer Zeit ist es für sie schwierig, Fachkräfte für ihre stationären Einrichtungen zu gewinnen. Dabei wächst der Bedarf an betreuten Wohngruppen stetig, nicht nur durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete, sogenannte UMAs, deren Zahl wieder steigt. Diese oft traumatisierten jungen Menschen müssen dann länger in Notunterkünften bleiben. Dabei bräuchten gerade sie ein erhöhtes Maß an Zuwendung und Betreuung. Auch für andere Kinder und Jugendliche, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in ihren Familien bleiben können und in Jugendhilfe-Einrichtungen betreut werden müssten, fehlen mangels Personal Betreuungsplätze. „Diesen Mangel an Fachkräften im Bereich der erzieherischen Hilfen hat die Öffentlichkeit viel zu wenig im Blick. Alle sprechen nur vom Mangel in der Altenhilfe und in Kitas“, sagt Jürgen Knodel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Tragwerk in Kirchheim.

Dabei ist auch die Situation in der Jugendhilfe prekär: „Einige Träger können niemanden mehr aufnehmen, weil ihre Kapazitäten ausgeschöpft sind“, erklärt Michael Müller von der Stiftung Jugendhilfe aktiv in Esslingen. Jedoch erfülle die Jugendhilfe eine wichtige Rolle im Kinderschutz, sei zur Unterbringung von gefährdeten Kindern und Jugendlichen verpflichtet, so Jens Binder-Frisch, Vorstandsmitglied des Michaelshofs in Hepsisau. „Wenn wir wegen personeller Engpässe Angebote einschränken, gefährdet dies das Kindeswohl.“ Vielmehr brauche es zusätzliche Regelangebote für vollstationäres und betreutes Wohnen, sagt Marcus Delan, Einrichtungsleiter der Kinder- und Jugendhilfe Neuhausen. Deshalb kommt es für ihn nicht in Frage, Gruppen zu schließen. Zudem müsse man Plätze vorhalten, um Kinder in akuter Not unterzubringen.

Bleiben Stellen unbesetzt, müssen die vorhandenen Kolleginnen und Kollegen in der Betreuung mehr leisten. Das laugt aus. Dabei ist die Betreuung von jungen Menschen eine vielseitige und erfüllende Aufgabe. „Ich kann in der Jugendhilfe benachteiligten Kindern neue Startchancen vermitteln“, sagt etwa Benjamin Karner, der in der Stiftung Tragwerk arbeitet. Die Mitarbeitenden erleben oft große Dankbarkeit, wenn sie für die jungen Menschen ein „Anker im Leben“ sein können, wie sein Kollege Adrian Streicher ergänzt. Gesucht werden weibliche und männliche Jugend- und Heimerzieher, Erzieher oder Sozialpädagogen. Sie arbeiten in WG-Teams, die die Bewohnerinnen und Bewohner rund um die Uhr betreuen und diese dadurch in ganz unterschiedlichen Stimmungen und Situationen kennenlernen. „Damit sind sie nah dran an der Entwicklung der jungen Menschen“, sagt Jens Binder-Frisch. Jeder Tag ist anders.

Der Beruf sei nicht nur vielseitig, abwechslungsreich und biete ein hohes Maß an Autonomie, sondern ermögliche es auch, eigene Interessen wie Sport, künstlerisches Gestalten, Kochen oder Basteln in die Arbeit einzubringen, erklärt Fabian Erhardt, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Sozialpädagogische Wohngruppen und Werkstatt für persönliche Entwicklung mit Standorten in Plochingen und Aichwald. Und oft sehen die Betreuer den Erfolg ihrer Arbeit im weiteren Lebensweg ihrer Schützlinge. Wenn junge Geflüchtete eine Ausbildung zum Erzieher, Alten- oder Krankenpfleger machen, ein Handwerk erlernen oder sich ehrenamtlich als Dolmetscher engagieren, sind dies auch für die Jugendhilfe-Mitarbeiter schöne Erfahrungen. Jens Binder-Frisch nennt ein Beispiel: Von zehn UMAs einer WG auf dem Michaelshof, die man 2015/2016 betreut hat und die alle kein Wort Deutsch konnten, haben inzwischen fast alle einen Schulabschluss. „Die Hälfte ist berufstätig, manche machen eine Ausbildung oder haben eine in Aussicht.“

Für Jürgen Knodel ist die Politik gefragt, wenn es um die Gewinnung von Fachkräften für erzieherische Hilfen geht: „Ich wünsche mir, dass Land und Kostenträger zusätzliche finanzielle Mittel für die Ausbildung bereitstellen. So wäre es eine große Hilfe, wenn pro Wohngruppe die Finanzierung eines zusätzlichen Ausbildungsplatzes durch den Kostenträger übernommen werden könnte.

Schließlich haben wir als Gesellschaft eine gemeinsame Verantwortung.“ Ein Fehler sei es zudem gewesen, auf Veranlassung des Staates die Angebote nach 2015/16 wieder abzubauen, statt Basisangebote vorzuhalten. Damit sei Knowhow verloren gegangen und man habe mit dem wieder gestiegenen Zuzug von jungen Geflüchteten alles neu aufbauen müssen, so Jürgen Knodel. Würde eine solche WG für UMAs temporär nicht benötigt, ließe sie sich leicht umwandeln, etwa in eine traumapädagogische Wohngruppe, erklärt Marcus Delan. Bedarf an Plätzen gebe es genug: „Wir können derzeit nicht alle Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis Esslingen auch hier unterbringen.“

Gesucht werden im Übrigen nicht nur Hauptamtliche. Auch wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, ist in den Jugendhilfe-Einrichtungen willkommen.

Info:
Die Arbeitsgemeinschaft der Erziehungshilfeeinrichtungen im Landkreis Esslingen (AGE) ist ein Zusammenschluss von neun Einrichtungen der Erziehungshilfe. Insgesamt werden 440 Plätze in Wohn- und Tagesgruppen, 950 Plätze in den ambulanten Hilfen, 370 Plätze in Schulen für verhaltensschwierige Kinder und Jugendliche sowie 260 Plätze im Rahmen der Schulbegleitung angeboten.

Im Laufe des vergangenen Jahres wurden zunehmend mehr Kinder und Jugendliche zur Betreuung in den Einrichtungen angefragt. Familiäre Notsituationen und die Not einzelner Kinder und Jugendlicher haben seit der Coronakrise stark zugenommen. Hinzugekommen sind viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit teilweise traumatischen Fluchterfahrungen. Um dem gestiegenen Bedarf gerecht zu werden und neue Angebote zu eröffnen, wird von allen Trägern derzeit neues Fachpersonal gesucht.
Weitere Infos: www.age-esslingen.de

Text: Ulrike Rapp-Hirrlinger

Pressebericht im Teckbote, 03.04.23

geschrieben von Ulrike Rapp-Hirrlinger am 04.04.2023 um 10:46 Uhr.
 
 
 
 
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